150
les collections aristophil
Unmaß von Phantastik außerhalb des Tollhauses durchzuhalten. Wie
könnte uns Vernunft und Ehre sonst erlauben, Raumgenossen dieser
Zeitgenossen zu sein? Wie könnten wir seit vier Jahren in dieser
Hyänenluft den Lebensmut auäringen, uns um das tägliche Brot zu
quälen? Nun war’s ein Augenblick, zu glauben, die Menschheit hätte
die Prüfung bestanden und sei reif zur Reue. Nicht mehr werde es
künftig die ingeniöse Phantasiearmut vermögen, uns in diese Delirien
zu treiben. Der menschheitswidrige Gedanke, der den Lebenszweck
dem Lebensmittel und also dem Todesmittel unterstellt hat, liege in
den letzten Zügen. Nicht fortsetzbar sei der Zustand, daß nicht nur
einer Klasse von Buntgekleideten Gewalt über die Farblosen gegeben
ist, sondern daß alle auf einmal durch ein Zauberwort bunt werden
können, alle über alle Macht gewinnen, alle vor allen Ehre gewinnen,
alle gezwungen sind, einander zu grüßen und allerhand Hochachtung
vor einander zu haben. Ich, der ich vor der Gesellschaft um so
weniger Hochachtung habe, je mehr sie in ihrem eigenen Ansehen
steigt, der sie im Gegenteil erst dann auf das tiefste mißachtet, sobald
sie ihre abgelebten Machtvorstellungen mit ihrer frischen Raubgier
verbündet, sich selbst zu wechselseitiger Bewucherung mobilisiert
und einen Jargon aus Fibel und Börse nachbetet, wenns die gute
Sache der allgemeinen Peinigung gilt — ich muß bekennen, daß ich
an den Entschluß zur Einkehr, an den Ernst der Erkenntnis, daß die
Zukunft des Geschlechts bei Kant besser als bei Krupp aufgehoben
sei, ernsthaft geglaubt habe »... Etc.
von dem furchtbarsten Erdenfluche, unter dem sie je seit ErschaÀung
ihren Nacken gebeugt hielt, durch ein Machtwort über sich selbst,
also durch den Aufstand der Menschenwürde zu befreien, vom
Militarismus nicht als einer wirtschaftlichen Last allein, sondern von
dem Alpdruck der militaristischen Lebensanschauung, und nicht
mehr jener, die einst als das Vorrecht eines Berufs das Leben auf die
Spitze eines Säbels gestellt hat, sondern der Geistesrichtung, die das
Leben unter dem Verhängnis tödlicher Zufallswirkungen und einer
meuchelmörderischen Technik zum Ersatz für Menschenrechte und
zur Sicherung merkantiler Interessen gefangen hält. Der Staat schien
plötzlich der Menschheit Recht zu geben in ihrem bis dahin straäaren
Verlangen nach Selbstbefreiung aus der schmachvollsten Knechtschaft,
in die ihr Erwerbsgeist die schuldige und unschuldige Kreatur gejagt
hat, als ein organisiertes Schicksal über allem Lebendigen, Männern
und Müttern, Säuglingen und Tieren, immer die würgende Faust
zwischen die Sonne und dieses kurze Menschendasein gereckt. Daß
diese Teufelsmacht es verstanden hatte, die Träger des staatlichen
Machtideals herumzukriegen, sich gar die alte Glorie für ihre schmutzige
Neuerung auszuleihen und schließlich durch den Tod der Menschheit
zum hohnlachenden Triumph des Wuchers über den wehrlosen
Schlachtensieg zu führen — dies ungeheuerste Erlebnis behält durch
alle Wirklichkeit hindurch die närrische Gestaltung eines Fiebertraums,
und die unter uns nicht stehlen, sondern nur fühlen, müssen in
einem narkotischen Zustand die Zeit durchschreiten, um dieses




